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29. Brunsbrocker Abend am 22.03.2023

Thema: „Hass und Liebe – Gedanken zur Demokratie“

Referent: Bundespräsident a.D. Christian Wulff

Gut 130 Gäste waren auf Einladung der St. Matthäusgemeinde Brunsbrock gekommen, um im „Lintler Krug“ das Referat zum Thema „Hass und Liebe – Gedanken zur Demokratie“ von Bundespräsident Wulff, Hannover, zu hören.
Nachdem Ortspfarrer Dieter Garlich in der Begrüßung die SELK und die „Brunsbrocker Abende“ vorgestellt hatte, führte er ins Thema des Abends ein. Auch die Kirchen trügen eine Verantwortung zum Erhalt der Demokratie. „Denn nur … in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung“, so Garlich, seien „die Grundrechte … Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und eben auch Religionsfreiheit“ garantiert. Es sei „auch aus der Mitte der Gesellschaft heraus … notwendig, unsere Demokratie zu stützen. Garlich dankte den anwesenden Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern für ihr Engagement.
Herr Wulff begann seinen Vortrag mit Hinweisen zu Vorteilen der Dezentralität unserer Demokratie. Dadurch seien die Bürger stärker in das politische System eingebunden. Unsere Demokratie beruhe auf der Ethik des Protestantismus und der katholischen Soziallehre.
Bundespräsident Wulff unterstrich in seinem mit viel Herzblut gehaltenem Vortrag weiter, dass es wichtig sei, dass die Demokratie gelebt werde. Vom Sofa aus könne man schnell kritisieren, wichtig sei aber das p
ersönliche Engagement in den demokratischen Parteien, Vereinen und Verbänden. Er hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Vereinen und ehrenamtlichem Engagement für eine funktionierende Demokratie hervor.


Das, was die Generation nach dem Krieg unter vielen Mühen aufgebaut habe, sei es wert, immer wieder zu stützen und zu stärken. Die Demokratie, die soziale Marktwirtschaft, die europäische und die deutsche Einigung seien nicht vom Himmel gefallen, sondern hart erarbeitet. Jede Generation habe ihre Aufgaben, so ginge es jetzt darum, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft hinzubekommen.
Laut einem Bericht der CIA werde die westliche Mittelschicht schwer unter Druck geraten. Konflikte zwischen den Völkern würden immer größer werden. Dies läge seiner Meinung nach an Frust und Angst der Bürger. Dies sei dann der Nährboden von Populismus. Man könne unzufrieden sein, mit dem, was in der EU manchmal laufe, aber man solle sich immer bewusst machen, dass wir Deutschen in Europa mit allen Nachbarländern friedlich zusammenleben – und dies seit nunmehr 78 Jahren. „Auseinandersetzungen werden in der EU nicht mit Waffen, sondern mit Worten geführt!“, so Wulff.
Ferner ging er kurz auf die Entwicklung unserer Demokratie ab 1848 ein. Im Vergleich zu Frankreich und England seien wir eine relativ junge Demokratie. Große Krisen waren 1923 die Inflation und 1933 Hitlers Machtübernahme. Es solle nur lt. Wulff 24 vollständige Demokratien auf der Welt geben, die nur 8 % der Bevölkerung repräsentieren.

Ein Kernsatz von Wulff war: „Uns ging es noch nie so gut wie heute, aber die Stimmung war noch nie so schlecht in Deutschland.“ Dies führt er auf ein Freund- Feinddenken als größtes Problem der Demokratie in Verbindung mit Hass auf andere zurück. Der Grund hierfür müsse geklärt werden. Wir seien dafür selbst verantwortlich, dass durch Gespräche und Zuhören von Menschen anderer Meinung diese Eskalation gestoppt werde.
Wulff zitierte aus dem Kirchenlied „Wo Menschen sich vergessen“ u.a. die Zeilen „Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde das Frieden werde unter uns.“.
Ein Patentrezept für die Überwindung der jetzigen Probleme (Hass,- Freund- Feinddenken) könne er leider auch nicht geben. Er appellierte aber an die Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger.
Zum Schluss verwies er auf Norbert Lammert (ehemaliger Bundestagspräsident), der den Text der Europahymne („Ode an die Freude“) auf die aktuelle Situation umformuliert habe. Von den acht Strophen sei hier die erste und zweite zitiert.
„Für Europa lasst uns streiten mit Verstand und Mut zur Tat, um den Fortschritt zu begleiten, der noch nicht begriffen hat, was wir können, was wir sollen, unter Nachbarn, alle gleich, die in Eintracht leben wollen, frei und froh durch Vielfalt reich.“ (Quelle: www.kas.de)
Der Abend schloss mit Gebet und Segen.



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   (Text: Dr. H.-H. Winkelmann/Pastor D. Garlich; Bilder: G. Mehrkens)

Biographisches:

Als 10. Präsident der Bundesrepublik Deutschland (2010-2012) engagiert sich Christian Wulff heute u.a. für die Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und im Dialog von Gläubigen verschiedener Religionen. Er ist Vorsitzender des Stiftungsrats der Deutschlandstiftung Integration. 2011 zeichnete ihn der Zentralrat der Juden in Deutschland mit dem Leo-Baeck-Preis aus. 2014 wurde er durch die Türkische Gemeinde in Deutschland geehrt. Im gleichen Jahr wurde er mit dem Toleranzpreis der Evangelischen Akademie Tutzing ausgezeichnet. 2017 erhielt er den Preis der katholischen Pax-Bank für sein Wirken. … Als ehemaliges Staatsoberhaupt vertritt er Deutschland auf internationaler Ebene …. Von 2003 bis 2010 war Christian Wulff Ministerpräsident des Landes Niedersachsen. … Nach seinem Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten und dem Freispruch im anschließenden Prozess veröffentlichte er sein Buch „Ganz oben Ganz unten“, in dem er auch die Rolle von Medien, Politik und Justiz beschreibt. Christian Wulff … arbeitet als Bundespräsident a.D. in seinem Berliner Büro und als Rechtsanwalt in seiner Kanzlei in Hamburg.

(Textquelle: http://www.christian-wulff.de/#galerie – abgerufen am 22.12.2022)